Die Gastronomie der Pitiüsen kämpft seit langem um Anerkennung über ihre engen geografischen Grenzen hinaus. Die Küche Ibizas und Formenteras galt – bis jetzt wenigsten – als einfach, schlicht und ärmlich. Die knappen Ressourcen aus Landwirtschaft, Viehzucht und Meer wurden dabei so gut wie möglich genutzt. Man holte das Beste aus Erde und Meer heraus und aß aus schierer Notwendigkeit, ohne Zugeständnisse an sündhafte Vergnügen für Körper und Geist. Fast niemand kümmerte sich darum, einheimische Kreationen zu präsentieren. Nur Joan Castelló Guasch hatte es Mitte des letzten Jahrhunderts ebenso wie vor zwanzig Jahren Juan Francisco Poyatos Oliver gewagt, sein Augenmerk auf die bescheidenen, aber einfallsreichen und leckeren Hausmannsgerichte, die so vieles entbehrten, zu richten.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute hat die Pitiüsen-Gastronomie eine bemerkenswerte Reputation unter den Küchenprofis sowohl auf den Inseln als auch außerhalb. Auch Verbraucher, Anwohner und Touristen schätzen die leckeren Gerichte mit ihren besonderen Merkmalen. Eines sollten wir in diesem Zusammenhang nie vergessen: Wir laben uns an den Quellen der anthropologischen und kulturellen Tradition des westlichen Mittelmeers, die stark von den Katalanen und den nordafrikanischen Völkern beeinflusst worden sind. Die so entstandenen Rezepte sind nicht nur lecker, sondern auch gesund.

Ein neu erschienenes Buch, bei dem es sich zudem um das umfangreichste Pitiusen-Kochbuch überhaupt handelt, würdigt die Inselküche nun endlich angemessen und gibt ihr den Ehrenplatz, den sie sich sowohl national als auch international verdient hat. Wir sprechen natürlich von „Eivissa i Formentera, la cuina pas a pas”, dem Kochbuch der Geschwister Joana und José Manuel Piña. Verantwortlich für die herrlichen Fotos ist niemand anderes als IBIZA & FORMENTERA STYLE-Mitarbeiter Vicent Marí. Im Buch werden 80 Rezepte des täglichen Lebens, aus Großmutters Zeit, zum Weglöffeln und für andere Anlässe vorgestellt – alle wurden an den Geschmack der heutigen Zeit angepasst. Es hat weder mit Experimenten noch einer Kochrevolution zu tun, sondern geht um die Einbeziehung der lokalen Vielfalt der verschiedenen Bezirke unter Berücksichtigung der gemeinsamen Geschichte: Zum Beispiel bereitet man die leckere „Nadal-Sauce“ nicht überall gleich zu, denn in Santa Eulària oder Sant Joan de Labritja findet die Herstellung unter Verwendung von Fleischbrühe statt, während die Anwohner von St. Augustin und St. Josef eine Soßenzubereitung ohne Zusatz von tierischen Produkten bevorzugen. Kein Gericht ist besser als das andere – sie sind einfach nur anders.

Das von Balàfia Postals und dem Institut d’Estudis Baleàrics herausgegebene Buch wurde „nach und nach, ohne Hast und mit viel Liebe geschrieben”, erklärt Vicent Marí begeistert. Er hat im Buch Rezepte seiner Mutter, María Marí, Köchin der Bar Rafal im Viertel La Marina bebildern können. Sie war zudem für 90% der Vorschläge für die in diesem Kochbuch enthaltenen Rezepte verantwortlich. Neben Vorspeisen, aufwendigen Reisgerichten, deftigen Fleisch- oder Fischgerichten und den besten Beilagen werden Nachspeisen, wie z. B. der König aller Nachtische „Flaó“, „Greixonera“, „Buñuelos”-Krapfen und „Orelletes“ präsentiert. Da läuft einem das Wasser im Mund zusammen!

Zwei Sätze der Kochbuch-Autoren fassen die Ziele, die sie mit der Veröffentlichung von „Eivissa i Formentera, la cuina pas a pas“ verfolgt haben, perfekt zusammen: Laut José Manuel Piña, Journalist des Diario de Ibiza, ist „jeder Koch mehr Ingenieur als Künstler“. Welch‘ weise Worte! Denn man muss die Mengen richtig abstimmen und die Zutaten auf intelligente Weise mischen, ohne dabei den Versuchungen der heutigen Laborküchen und dem weit verbreitetem Überfluss zu verfallen. Nicht jeder kann sich damit brüsten, ein Meister der Küche zu sein und garantieren, dass ein „Guisat de Peix“ (Fischeintopf) oder ein „Cuinat“ (vegetarischer Eintopf) zu Ostern immer erfolgreich gelingt. Töpfe, Pfannen und Öfen verlangen Zuverlässigkeit, Beständigkeit und viele technische Fähigkeiten und gefühlmäßigen Einsatz. „Kochen ist eine Art der Kommunikation“, fügt Joana, die Co-Autorin des Buches hinzu. Essen bedeutet Glück mit jedem Bissen. Liebe geht durch den Magen! Wer will daran schon zweifeln?

Rezept: CUINAT (Gemüseeintopf)

Zubereitungszeit: 3 Stunden • Schwierigkeitsgrad: hoch

Zutaten:

• 1 kg klein geschnittenes Gemüse
• 1 kg Mangold
• 3 Stängel Wiesenlauch
• 1 Knoblauchknolle
• 2 kleine Frühlingszwiebeln
• 200 g dicke Bohnen
• 200 g Wolfsbohnen
• 200 g Kichererbsen
• Paprikagewürz je nach Geschmack
• 1 kleine Ñora-Pfefferschote
• einige Pfefferminzblätter je nach Geschmack
• Peperoni je nach Geschmack
• die Menge eines Safran-Fadens (geröstet und zerkleinert)
• 1 Tomate
• 1 Esslöffel Olivenöl
• Salz

Die Zubereitung der Hülsenfrüchte:

Weichen Sie Kichererbsen, dicke und Wolfsbohnen getrennt voneinander ein. Lassen Sie sie am folgenden Tag gut abtropfen und gießen das alte Wasser weg. Geben Sie die Hülsenfrüchte getrennt voneinander und erneut mit frischem Wasser in drei Kochtöpfe, um Sie auf dem Herd gar zu kochen.

Zubereitung des Cuinat:

Kochen Sie den Mangold getrennt vom restlichen Gemüse gar, um danach das Wasser abzugießen. Schichten Sie im Anschluss jeweils eine Lage Gemüse auf eine Lage Hülsenfrüchte bis der Topf voll ist. Fügen Sie zu den Schichten zerkleinerte Tomate, Zwiebeln, Knoblauch, Gewürze, Olivenöl und Pfefferminze hinzu. Wenn Sie mit dem Schichten fertig sind, gießen Sie zum Schluss alles mit Wasser auf, ohne aber den Topfinhalt vollständig zu bedecken. Stellen Sie den Topf aufs Feuer, um das Cuinat auf kleiner Flamme gar zu kochen. Ab und zu sollte der Topf etwas geschwenkt werden, damit der Inhalt nicht anbrennt. Beim Umrühren sollten Sie jedoch besondere Vorsicht walten lassen, sodass sich die Schichten nicht vermischen.

Bei dem Gemüse, das auf Ibiza und Formentera für die Zubereitung dieses Gerichtes benutzt wird, handelt es sich um das wilde Leimkraut, das während der Fastenzeit auf den Inseln wächst. Es ist nicht empfehlenswert, das Gericht ohne dieses Wildkraut zu zubereiten. Diese Speise ersetzte für viele Familien den Fisch, da die katholische Kirche den Fleischgenuss in der Fastenzeit verbietet und sich viele Menschen früher nicht den Luxus erlauben konnten, Fisch zu essen. Dieses Gericht ist insbesondere als Karfreitagsessen beliebt.

Rezept: ORELLETES („Öhrchen“-Gewürzfladen)

Zubereitungszeit: 2 Stunden • Schwierigkeitsgrad: hoch

Zutaten:

• 1 kg Weizenmehl
• 5 Eier
• Vanillepulver
• 1 Paket Backpulver
• die geriebene Schale 1 Zitrone je nach Geschmack
• 50 g Schweineschmalz
• 1 Teelöffel Aniskörner
• Orangensaft je nach Geschmack
• Talkumpuder (Nahrungsmittelgrad)
• Anisessenz
• Sonnenblumenöl
• 400 g Zucker

Zubereitung:

Mischen Sie die Eier unter Rühren mit dem Zucker. Geben Sie nach und nach das Vanillepulver, die Essenz und Aniskörner, die abgeriebene Zitronenschale sowie das geschmolzene Schmalz hinzu. Kneten Sie alles gut durch. Fügen Sie zum Schluss Backpulver und Mehl hinzu. Im selben Moment können Sie Orangensaft hinzugeben – für den Fall, dass die Teigmasse zu fest geworden ist. Teilen Sie den Teig in kleine Portionen auf, je nachdem wie viele Gewürzfladen Sie haben möchten. Formen Sie jeden Fladen so, dass er einem menschlichen „Ohr“ ähnelt. Gießen Sie nun reichlich Öl zum Erhitzen in eine Pfanne, um im Anschluss darin die „Öhrchen“ zu frittieren. Die fertigen „Orelletes” legen Sie bitte auf absorbierendes Papier und im Anschluss zum Bestäuben mit Zucker auf einen Backrost.

Bitte beachten:

Das zum Verzehr geeignete Talkumpuder und die Anisessenz können Sie in der Apotheke kaufen. Es ist möglich Anisessenz durch Anislikör zu ersetzen. Zum Frittieren der „Orelletes” ist nur Sonnenblumenöl zu empfehlen, da Olivenöl diesem Nachtisch eine zu strenge Note geben würde. Die „Öhrchen“ sollten in sehr heißem Öl und nacheinander frittiert werden.

In früheren Zeiten wurde dieses Gebäck nur zu besonderen Anlässen, wie z. B. Hochzeiten, Kommunionen, Taufen und Patronatsfesten der Dörfer gereicht. Jetzt werden sie das ganze Jahr über gegessen, doch sind weiterhin ein Bestandteil bei jeder Feier und lokalen Festlichkeiten.

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