Andrea Oliva ist einer der grössten Namen im internationalen Club-Business. Das Aushängeschild von “Ants”, dem Ushuaïa-Event-Flaggschiff. Er ist auf Du und Du mit den Koryphäen der Entertainment-Szene. Eine besondere Freundschaft verbindet den in der Schweiz geborenen Süditaliener mit Ronaldo Nazario de Lima – “Il Fenomeno”. Der zweimalige brasilianische Weltmeister und mit Abstand beste Mittelstürmer aller Zeiten haute den eingefleischten AC Milan Fan Oliva beim ersten Treffen um. Womit, wie er aufgewachsen ist, was der 41-Jährige vom Musikbusiness hält und welche Werte ihm wichtig sind, erzählt er uns im exklusiven Interview. Bei perfekt gekühltem Verdejo und üppiger Sushi-Platte im Minami Ushuaïa Restaurant.
Angefangen bei seinen Eltern, die vor 45 Jahren von Kalabrien nach Monza umgezogen sind, um wie viele Südländer in den Siebzigern, in die Schweiz einzuwandern und dort als Gastarbeiter viel mehr Geld zu verdienen, als zuhause. In Möhlin, einer Vorstadt von Basel, wo Andrea 1981 zur Welt kam. “Die Grundschule besuchte ich da. In Basel machte ich die kaufmännische Lehre in einem Reisbüro.”
Um fortan in der Musikindustrie zu arbeiten. “Ich begann schon mit 12 aufzulegen und lebte ziemlich schnell davon. Es war einfach. Gerade, wenn man, wie ich, bei den Eltern wohnte. Für mich war klar, dass ich nie etwas anderes tun wollte. Ich war von Anfang an dabei, als auf dem Stücky-Areal und im Planet E die ersten grossen Technoparties der Schweiz stattfanden. Derrick May (Detroit Techno Legende und Szene-Pionier, Anm. d. Red.) spielte im Stücky seinen ersten internationalen Gig. Die Washing Machine Parties, Sven Väth mit pinken Haaren, da, wo alles begann – legendär.”
Techno war eine Bewegung, stand anfang bzw. mitte der Neunziger Jahre für Freiheit und Gleichstellung. Insbesondere die der LGBT Community. Wer nicht dabei war, kann dieses Pionier-Gefühl und den einhergehenden Vibe dieser Zeit im Nachhinein nur schwer nachvollziehen. Ich war dabei, und weiss, wovon er spricht. Trotz aller Begeisterung und Hingabe musste Oliva eine “geregelte” Ausbildung machen – die Voraussetzung der Eltern, um dieses Leben führen zu dürfen. In Möhlin, diesem Vorort der Dreiländereck-Stadt Basel (Deutschland, Frankreich, Schweiz). Wie war es da um diese Zeit, 1992, zum Beispiel?
“Supercool. Ein Dorf halt, wo 7000 Leute wohnen. Man kannte alle, meine Freunde sind immer noch da. Ich konnte da glücklich aufwachsen, umgeben von Kühen und allgemeiner Natur. Sehr bodenständig. Mit hart arbeitenden Eltern, die einerseits sehr supportive mit meiner Leidenschaft umgingen, mir andererseits gute Werte mit auf den Weg gaben: Loyalität, Freundschaft, Ehrlichkeit, Fleiss, Dankbarkeit, Glücklichsein mit dem, was man hat, Familienzusammenhalt. Das ist das Wichtigste.”
In Basel, wo er als Teenager schon verkehrte, gab es auch Viertel, wo sich Gruppen von Jugendlichen bildeten, die sich über ihr kollektiv präpotentes Auftreten Respekt verschaffen wollten. Andrea Oliva war nie Teil davon – im Gegenteil.
“Ich war in keiner dieser Wanna-Be-Gangs. Und weisst du, wieso? In erster Linie wegen der Musik. Ich habe, wie erwähnt, gearbeitet, während andere Jugendliche abends herum hingen, kifften und diesen HipHop Lifestyle lebten – für mich war das völlig uninteressant.”
Oliva legte selber Rap auf, aber verweist auf einen wichtigen Punkt: “Natürlich verehre ich heute noch NAS, A Tribe Called Quest oder Wu Tang Clan – aber ich bin eben auch Punk, hörte Rage Against The Machine, Nirvana, Bad Religion. Selbst Deftones tun es mir heute noch an. Viele meiner Freunde waren in der Techno-Szene, und mir gefiel auch diese Musik. Das heisst, dass meine grundsätzliche Leidenschaft für Musik und die Wertschätzung bzw. Bewunderung aller Genres mich zu einem reflektierten, toleranten Menschen machte. Ich gehörte nie zu einer, und wenn überhaupt, einfach zur Musikszene.”
Oliva ist es wichtig, diesen Bogen weiterzuspannen. “Was ich nie verstanden habe, waren diese Tabus der einzelnen Genre-Gruppen, sich mit einer anderen Musik- oder Lifestyle-Richtung zu beschäftigen. Das ist das Allertraurigste daran. Die Vielfalt von Musik ist doch gerade das Schöne an dieser Kunstform – und sich mit den verschiedensten Facetten davon zu beschäftigen, der Sinn der Sache. Es kommt immer auf die Qualität und den Inhalt der Musik an, egal aus welchem Genre.”
Wenn er etwas nicht mag, hört Oliva es sich eben nicht an, deshalb müsse man keine KünstlerInnen herabwürdigen. Konkret meint er damit: “Alle Künstler, von Techno über Pop zu Punk – wir sind alle für Peace, Love und Harmony. Eigentlich. Aber alle haben ein sehr engstirniges Narrativ, wenn es um ihre Musik geht. Rapper, die Techno ausgrenzen. Selbst innerhalb der Technoszene herrscht dieser Separatismus. Kommerz gegen Underground, etc. Das ist doch paradox. Du stehst eigentlich für das Gute der Welt, und andererseits diskriminierst du andere Stilrichtungen – oder gar Subgenres deiner eigenen.”
Dave Grohl, der Drummer von Nirvana und Band-Gründer / Sänger der Foo Fighters, hätte ihn dabei sehr enttäuscht: “Er ist einer meiner ganz grossen Helden, und dann habe ich dieses Interview gelesen, wo er Techno-Produktionen in’s Lächerliche gezogen hat. Das sei keine richtige Musik. Da kann ich nur sagen: Wenn man eine Kunstform disst, welche dieselben Werte wie Rock’n’Roll vermittelt, ist das am Ziel vorbei geschossen. Musik steht allgemein für Toleranz – und das sollte man leben, egal in welchem Department man tätig ist.”
Oliva fügt noch an, dass “man eh schon verloren hat, wenn man etwas runter macht, um sich höher zu stellen”.
Dem können wir nur beipflichten. Und auch weil er dieses Credo lebt, ist der Süditaliener heute gleichermassen erfolgreich und beliebt. Die Leute arbeiten gerne mit ihm, er wird während des Interviews von unzähligen MitarbeiterInnen und KünstlerInnen geherzt und gedrückt, die Leute freuen sich offensichtlich, ihn zu sehen und geniessen seine Anwesenheit. Wie ist es umgekehrt? “Ich liebe das Ushuaïa und jeden einzelnen Menschen, der hier arbeitet. Es ist das professionellste und menschlich beste Umfeld, das man sich vorstellen kann. Ich bin dankbar, das erleben zu dürfen.”
Genauso wie eines der Highlights seines Lebens: “Ich bin sehr Fussball angefressen, glühender AC Milan Fan und hatte die Ehre, vor ein paar Wochen auf der Meisterfeier im Domo aufzulegen und mitzufeiern. Ich spielte selber lange Fussball, da kannst du dir vorstellen, was das für mich bedeutet. Einer dieser Momente im Leben, die ich nie vergessen werde. Genauso wie jenen vor acht Jahren, als hier auf Ibiza plötzlich Ronaldo, mein AC-Milan-Held, vor mir steht, nach ein paar Worten sein Handy zückt und im Handy seine Playlist zeigt – mit meiner Musik drauf! Ich war fassungslos – geflasht. Seitdem sind wir “Best Friends” und er kommt öfters zu meinen Gigs – heute abend auch. Bleibst du mit uns hier im Ushuaïa Club?”
Natürlich blieb ich – und habe es nicht bereut. Danke für die grosszügige Gastfreundschaft lieber Andrea.