Ibiza ist magisch, ein Ort der Spiritualität mit einzigartiger Energie, die genau solche Menschen anzieht – wie Neliah Kandisha aus Murcia. Sie reiste um die Jahrtausendwende an, direkt nachdem sie aus Peru zurückgekehrt war, wohin sie ihre paganischen Eltern schickten. Um bei Nachfahren der Mayas die familiäre Lebensphilosophie zu studieren, die nichts mit der zu tun hat, welche monotheistische Götter in’s Zentrum stellt. Sondern den Respekt für Mutter Erde und alles Leben, was sie umgibt. Und dafür steht die Insel-Ikone heute.

Ich besuchte Neliah in ihrem zuhause, einem alten ibizenkischen Landhaus. Eine über hundert Jahre alte Villa. Rustikal. Hübsch. Mit diversen Terrassen. Auf einem Hügel, inmitten  eines dschungelartigen, wild bewachsenen Waldes. Bäume, Pflanzen, Vögel, Terrassen – und ein Infinity Pool prägen dieses märchenhafte Ambiente. Neliah bittet mich auf eine der vielen begrünten Naturterrassen, die sich rund um ihr Haus befinden. “Siehst du den kleinen Brunnen, mit dem Steinaltar drumherum, Sascha? Den habe ich gebaut, weil hier, wo das Wasser entspringt, die Mitte Ibizas ist.”

Ich schaue auf Google Earth nach – es stimmt. Fasziniert davon und vom letzten Wochenende, als ich Neliah’s Extatic Dance Event beiwohnte, erzähle ich ihr von einem selten erlebten Energieschub, der mich seither auf Trab hält. Für Neliah logisch: “Es ist einfach, Sascha, während dem Ritual sterben wir innerlich, um wiedergeboren zu werden. All der Ballast, den du mit dir rumschleppst, verschwindet, damit du Platz für Neues, Positives hast – und leichter bist.”

So profan es klingen mag, genau so war’s. Und glauben Sie mir, ich habe mit Esotherik und Patchouli genau nichts am Hut. “Körper, Geist und Seele arbeiten zusammen – durch den Tanz, den ich rituell begleite, geben wir Mutter Natur Energie – und sie gibt sie uns zurück. Es ist wie ein Service, gegenseitig. Und hey, man muss aufhören, Kindern einzureden, sie können nicht tanzen, singen, etc. – Tanzen ist die allererste Heiltherapie der Menschheit. Bevor die Sprache kam. Es geht nicht darum, dabei einer Norm zu entsprechen, sondern es zu tun – genau so, wie man es will und fühlt. Tanz die Sorgen weg. Heil dich selber. Das geht. Glaub es mir.”.

Ich frage sie, was es mit Tanzen auf Drogen auf sich hat. “Ich habe es auch ausprobiert, na klar, wurde aber enttäuscht. Wir haben alle Licht und Schatten in uns, wir müssen auch beide Seiten ausleben. Die Frage ist nur, wie? “Alles, was du mit synthetischen Drogen simulierst, erreichst du, ohne Gift in dich hineinzuschütten. Die Droge ist mein Herz und meine körpereigene Fähigkeit, die gewünschte Energie zu erzeugen. Du hast alles in dir – jeden Bewusstseinszustand kannst du natürlich erzeugen – wenn du in dich hinein hörst, weisst du’s. Weil der Meister, der Guru, der Alchemist – ist in dir. Suche nicht weiter.”

Geben Leute, welche Drogen nehmen, um einen bewusstseinserweiternden Zustand zu erreichen, die Verantwortung ab? An einen fremden Alchemisten? “Genau, wenn du Drogen nimmst, bist das nicht du, sondern ein Teil dieses unsicht-, aber sehr wohl fühlbaren, Alchemisten. Produzierst du diesen Zustand natürlich, weisst du erst, was es ist. Echt, in einer ganz anderen, reinen Qualität. Nicht nur in dem Moment, sondern tagelang – den Rest der Woche.”

 

Neliah kennt die Clubszene lange, ihre Sets werden gefeiert, was sie spielt, ist der Traum jedes Afterhour-Besuchers. “Ich war viel an Afterhours unterwegs, trank meinen Kaffee und schaute mir die Leute an, die voller Drogen und trotzdem müde waren. Abgekämpft. Nicht real. Auf das hatte ich keine Lust mehr. Mir geht’s um die Musik, die Freude daran, das Erleben der Magie des Klangs. Ich will Musik – und keine labernden Leute, die mir das Erlebnis kaputt machen.” (Lacht)

Deshalb hat sie ihre Extatic Dance Reihe gegründet. “Ich wollte musikalisch dasselbe haben, aber ohne Drogen, ohne Alkohol, ohne Quatschen – die einzige Sprache, welche wir dulden, ist die Sprache des Tanzes und der Musik.” Das spürt man an ihren Events.

Sie beschwört zu Beginn Mutter Erde und stellt die Verbindung mit der Natur spirituell her, bevor sie ihr Set mit Tribal Ambient und indianischen Klängen beginnt und das Publikum auf eine hypnotische Reise mitnimmt, bei der man sich tatsächlich in eine Art Trance tanzt. Zum Schluss, nach zwei Stunden, wird die Gruppe von 25 Leuten mit sanften Klängen runter geholt, es folgt, ähnlich wie beim Yoga, ein Shavasana, das Neliah rituell begleitet.

Nach einem Schlussritual, wo jeder seinen Wunsch an Mutter Natur sagen soll, geht man müde, aber glücklich nach Hause. Am nächsten Tag fühlen sich alle voller Energie und haben tagelang einen freien Kopf.

Woher hat Neliah diese Fähigkeiten? “Meine Familie ist paganischer Tradition, was viele belächeln, weil wir an keine monotheistischen Götter glauben. Dabei haben wir einfach eine andere Lebensphilosophie, zelebrieren die Natur, kümmern uns, halten ihre Werte hoch. Alles, was dich umgibt, bist auch du. Achte alles um dich herum. Bäume, Vögel, Pflanzen, Erde. Behandle alles so, wie du behandelt werden willst. Und wir sind Lichtwesen. Deshalb feiern wir auch die Sonnenwende. Eine Ode an das Feuer. Weil: im Feuer verbrennen wir alles Alte, um für das Neue empfänglich zu sein.”

Neliah ist ein Multitask Wonder und eine Output-Maschine. Täglich holt sie bei ihrer morgendlichen “Nomadas Radio Show” auf Pure Ibiza Radio mit samtweicher Stimme und abgespacetem Ambient Sound Club-Rückkehrer/innen sanft zurück auf den Boden – und begleitet Arbeiter/innen geschmeidig in den Arbeitstag. Danach gibt Neliah Yogaklassen, nicht selten vier am Stück, isst kurz was und verbringt den Rest des Tages damit, Events und Retreats zu organisieren – um abends irgendwo DJ-Sets zu spielen. In Kult-Locations wie Cova Santa.

Und obwohl ihr Arbeitstag durchschnittlich zwölf Stunden hat, begegnet sie jedem Menschen immer gleichermassen mit Demut, Respekt und Liebe – und ihrem bezaubernden Lächeln.

Welches wieder aufblitzt, als Neliah zum Schlusswort ansetzt: “Ich wollte unbedingt mit 19 nach Ibiza, weil ich wusste, dass ich hier her gehöre. Aber mein Vater erlaubte es mir nur, wenn ich zuerst drei Monate nach Südamerika fahre und mich da von Gelehrten ausbilden lasse. Das hilft mir heute, das sein zu dürfen, was ich bestimmt bin, zu sein.”

Ein pulsierendes Energiefeld, dessen Licht so hell wie die Sonne ist, die aus Neliahs Herzen scheint.